Ein Gespräch mit Rustam Ismailov von Vulpés Electronics

Das 2014 gegründete Kieler Unternehmens Vulpés Electronics GmbH verwendet eine spezielle, eigens entwickelte Sensortechnologie für seine Produktpalette. Das aus intelligenter, beheizbarer Kleidung (sogenannte wearables) bestehende Sortiment wird, unter anderem auch in Form unterschiedlicher Kooperationen, stetig erweitert. Gegenwärtig spezialisiert das Unternehmen seine Technologie für die Anwendung im Bereich smarte Einrichtungsgegenstände und Gesundheit.

Das EEN HH SH hat mit dem Gründer und Geschäftsführer Rustam Ismailov unter anderem über Förderungs- und Finanzierungsmöglichkeiten, Markterweiterung, Internationales Partnering, die essentielle Bedeutung der Vernetzung und die wichtige Rolle des EEN bei der Informationsvermittlung gesprochen.

Inwiefern hat sich der Schwerpunkt ihrer Innovationsleistung sowie Technologieanwendung und damit auch die organisatorische Aufstellung Ihres Unternehmens seit Gründungsbeginn verändert bzw. erweitert?

Wir sind 2016 im B2C-Bereich gestartet. Dort lag unser Fokus zunächst auf der Verbesserung der persönlichen Gesundheit und des Komforts im Outdoor-Bereich, wobei wir uns auf die Kundengruppen in den Bereichen Sport und Freizeit konzentriert haben. Nachdem der Verkauf der ersten Produkte 2018 dann erfolgreich angelaufen war, haben wir uns die Frage gestellt, ob wir die Technologie nicht auch weiterführend verkaufen können, auch weil wir häufiger auf Messen angefragt worden sind, ob unsere Technologie in Produkte anderer Hersteller integrierbar wäre. Auf diese Weise haben wir neben dem B2C- ebenfalls den B2B-Bereich aufgebaut und sind mittlerweile beidseitig aufgestellt. Gegenwärtig verkaufen wir unsere Technologie somit nicht nur an den Endkonsumenten, sondern bieten diese auch individualisiert für Unternehmenskunden an. Darüber hinaus konzentriert Vulpés sich nicht mehr ausschließlich auf die Bereiche Sport und Freizeit, sondern wir verkaufen und entwickeln ebenfalls Produkte an die Industrie, beispielsweise im Arbeitsschutz- sowie Wellness- und Gesundheitsbereich.

Welche Rolle hat die Förderung durch EU-Mittel für den Aufbau und die stetige technologische und strukturelle Weiterentwicklung Ihres Unternehmens gespielt?

Zwei Aspekte sind hier zu nennen. Zum einen war die Förderung, die wir von der WT.SH für die Automatisierung unserer Sensortechnologie erhalten haben (BFEI), ebenso wie die über das Innovationsdarlehen der IB.SH und die Beteiligung der MBG bereitgestellten Produktionsgelder, ein wirklich hervorragender Wegbereiter, der es uns zum damaligen Zeitpunkt ermöglicht hat, unsere Sensortechnologie direkt in Zusammenarbeit mit einem Kunden weiterzuentwickeln und somit unser Portfolio im B2B-Bereich initial zu entwickeln und dann fortlaufend attraktiver zu gestalten. Das übergeordnete Ziel bestand hierbei von Anfang an immer darin, Technologieführer im Produktfeld der wearables zu werden.

Der zweite Punkt betrifft die Kaskadenfinanzierung, insbesondere das Projekt GALACTICA, an dem wir mit der Firma Incoretex gemeinsam teilgenommen haben. Hierbei ging es um ein Projekt im Aerospace Cluster des Programmes, bei dem wir einen smarten Sitz entwickeln sollten, welcher den Druck bei Start- und Landeprozessen absorbieren kann. Dies war zu dem Zeitpunkt ein komplett neues Arbeitsfeld, da wir uns bis dahin auf den Bereich der wearables, d.h. alle Produkte, die direkt für den menschlichen Körper produziert werden, konzentriert hatten. Das Projekt war in technologischer Hinsicht ein sehr guter Lernprozess, da sowohl Technologie als auch Anwendungszweck für uns neu waren und wir uns daraufhin mit der Frage beschäftigt haben, warum unsere Firma nicht ebenfalls den Bereich Interieur bedienen könnte. Die von uns angebotene Technologie kann letztendlich sogar deutlich einfacher im Einrichtungsbereich (Sofas, Betten, Stühle etc.) eingesetzt werden. Anfang dieses Jahres haben wir daher ein neues Projekt in internationaler Kooperation mit einem Matratzenhersteller begonnen. In diesem Zusammenhang haben wir ein neues technisches Projekt gestartet, bei dem die von uns verarbeiteten Technologien der Sensorik, App-Entwicklung und Vernetzung auf der bereits erfolgreichen Umsetzung im Produktbereich der wearables aufbauen. Gleichzeitig können wir auf diese Weise im Bereich smarte Einrichtungsgegenstände eine komplett neue Kundenstruktur für uns entdecken, die wir zur Zeit stetig weiterentwickeln.

Bereiten Sie gegenwärtig weitere Anträge für EU-Förderprogramme vor?

Das Problem bei kleineren Firmen wie uns ist, dass wir sowohl das operative Geschäft als auch neue Kundenakquise und Projekte sowie die Informationsverarbeitung hinsichtlich von EU-Finanzierungsmöglichkeiten miteinander in Einklang bringen müssen. Dies ist bei limitierter Kapazität oft nur schwierig umzusetzen, da vor allem größere EU-Finanzierungsvorhaben komplex und die Vorbereitung sowie der administrative Aufwand insbesondere für kleinere Unternehmen sehr aufwendig sind.

Wir sind gerade für eine Kooperation im Rahmen des Projektes Sustronics angefragt worden, welches sowohl Förderung auf nationaler als auch auf EU-Ebene umfasst. Hierbei geht es um eine smarte Wundenauflage, auf deren Basis Analyse und Entscheidungsfindung zur Behandlung und Risikominderung über eine KI an den Arzt bzw. die Pflegefachkraft weitergeleitet und die Wunde entsprechend besser behandelt sowie medizinische Risiken, wie beispielsweise eine Sepsis, minimiert werden sollen. Bei einer Bewilligung würde unsere Firma die Entwicklung des KI-Bereichs übernehmen, was eine weitere großartige Möglichkeit zur technologischen und operativen Weiterentwicklung für uns wäre.

Wie ist der Kontakt zum EEN HH SH zustande gekommen und welche Aspekte ihrer Unternehmensentwicklung wurden durch die Beratung des EEN besonders unterstützt, beispielsweise mit Blick auf Förderung, Finanzierung, Markterweiterung und Partnering?

Welchen Einfluss hatte in dieser Hinsicht beispielsweise auch die Veranstaltung „Marktchance Europa“ bei der IHK in Lübeck?

Der Kontakt zum EEN HH SH bei der IB.SH ist über Frau Benz entstanden. Es ist großartig, dass ich regelmäßig proaktiv Hinweise zu möglichen Projekten über das EEN bekomme. Da uns leider die Zeit fehlt, um intensiv in dieser Hinsicht zu recherchieren, ist es überaus hilfreich, wenn wir stetig auf laufende Ausschreibungen und Projekte aufmerksam gemacht werden, die für unsere Unternehmensentwicklung interessant und relevant sein könnten. Auf das Projekt Galactica sind wir beispielsweise nur durch das Team des EEN der IB.SH aufmerksam geworden und haben uns schlussendlich nur durch den entsprechenden Hinweis darauf beworben.

Das EEN HH SH hat allgemein ein sehr umfassendes Informations-, Beratungs- und Veranstaltungsangebot. Ich hatte bislang allerdings zu wenig Gelegenheit, dieses ausreichend wahrzunehmen und würde mir sehr gerne mehr Zeit wünschen, um mich über das EEN besser zu vernetzen.

Die Veranstaltung „Marktchance Europa“ im Jahr 2017 hat uns beispielsweise einen sehr guten ersten Überblick zu Möglichkeiten der Expansion innerhalb der EU gegeben. Da der EU-Binnenmarkt schon sehr gut ausgebaut ist und meiner Meinung nach vergleichsweise, und natürlich dankenswerterweise, wenig Hürden bestehen, wäre es für unser Unternehmen darüber hinaus noch einmal sehr interessant, mehr über die Möglichkeiten der Marktexpansion, besonders mit Blick auf die regulatorischen Voraussetzungen, in Richtung USA, Kanada, Japan, möglicherweise auch China und den asiatischen Mark im Allgemeinen zu erfahren. Zusätzliche Informationen für europäische Unternehmen, die sich in Richtung chinesischem bzw. asiatischem Markt erweitern möchten, wäre in dieser Hinsicht beispielsweise wünschenswert, möglicherweise über die Außenwirtschaftsberatung der WT.SH sowie über das EEN HH SH in der WT.SH

Welchen Rat würden Sie anderen jungen Unternehmensgründerinnen und -gründern geben, die sich vor allem auch international entwickeln möchten?

Die Vernetzung auf nationaler und internationaler Ebene ist sehr wichtig, sei es digital oder auch bei Veranstaltungen und Messen, besonders auch fachspezifischer Art. Die Kooperationen sowohl mit Incoretex als auch Dynaback sind beispielsweise durch die Kick-Off-Veranstaltung zum WORTH Partnership Project in Madrid 2018 entstanden. Das ist ein Aspekt, den ich persönlich zu Beginn ehrlicherweise sehr unterschätzt habe. Persönliche Vernetzung ist besonders auch für die Entstehung internationaler Geschäftskooperationen sowohl innerhalb als auch außerhalb Europas, wirklich entscheidend, da über die Umsetzung möglicher Geschäftskooperationen überhaupt erst nach persönlichem Kontakt und dem Aufbau eines gewissen Vertrauensverhältnisses vorab gesprochen wird. Viele Projekte und Geschäftskontakte sind für uns erst durch das persönliche Netzwerken entstanden.

Hartnäckigkeit ist ein weiterer sehr wichtiger Punkt. Man muss am Ball bleiben und darf nicht aufgeben. Das klingt möglicherweise etwas banal, aber die stetigen Fluktuationen und teilweise langen Wartezeiten im Prozess der Unternehmensentwicklung sowie bei der Generierung von Geschäften können auch demotivierend sein. Wenn man allerdings kontinuierlich auf sich aufmerksam macht, seine technologischen Entwicklungen und Fortschritte konstant aufzeigt und immer wieder demonstriert, dass man einen gewissen Reifegrad erzielt und sich, dann mit Blick auf mögliche Geschäftspartnerschaften, auf dem Markt etabliert hat, erreicht man als Unternehmen allerdings schlussendlich einen Wendepunkt.

Herr Ismailov, vielen Dank, dass Sie sich die Zeit für uns genommen haben.

Bild: Vulpés Electronics GmbH 2023